Ich habe zu der Panorama Sendung vom 31. 10. 2019 über Heilpraktiker (bzw. deren Abschaffung) alle Argumente hier mal analysiert und meine Meinung, bzw. Gegenargumente aufgeschrieben. Hilft vielleicht einigen, sich in Diskussionen besser zu positionieren. Eigentlich wollte ich hier nur alle wichtigen Links zur Sendung und die Gegenmeinungen zusammenfassen, aber nun ist doch eine ausführliche Auseinandersetzung daraus geworden.
Die Diskussion geht dabei um den medizinischen Heilpraktiker und die Naturheilkunde. Für alle, die es nicht wissen, es gibt neben dem sogenannten „großen“ Heilpraktiker (den ich medizinischer HP nenne), der mit den entsprechenden rechtlichen Einschränkungen (Heilpraktiker dürfen bei weitem nicht alles) viele körperliche und auch psychische Krankheiten behandeln darf, auch den Heilpraktiker für Psychotherapie. Dessen Arbeitsfeld ist auf psychische Erkrankungen beschränkt und dem (psychologischen) Psychotherapeuten vergleichbar. Ich stehe so dazwischen, weil ich medizinischer Heilpraktiker bin und seit 13 Jahren nur noch Psychotherapie mache und vorher 11 Jahre hauptsächlich körperliche Erkrankungen behandelt habe. Wenn ihr was tun wollt, dann findet ihr am Ende des Artikel einige Vorschläge. Herausheben möchte ich dabei den Blog Heilpraktiker Newsblog, der aus meiner Sicht ein wichtiger Blog zur Richtigstellung über die Meinungsmache zu Heilpraktikern darstellt. Links zu den Reaktionen der Heilpraktikerverbände findet man am Ende des Textes.
Zuerst mal der Stein des Anstoßes, bzw. der Panorama Bericht von 31. 10. 2019.
Nächstes Jahr habe ich jetzt mein 25 jähriges Praxisjubiläum und ich stelle immer wieder fest, der Streit geht nicht um Sachliches, sondern es mutet immer wieder wie ein Religionskrieg an. Teilweise von beiden Seiten. Ich stell aber fest, dass die Angriffe der Schulmedizin deutlich aggressiver sind und oft auch unsachlich sind eben Religionskrieg.
Zu den Vorwürfen direkt:
1. Der Behandlungsfehler
Zuerst wird wieder in Einzelfall herangezogen. Die Dame ist sicher Leid widerfahren. Grundsätzlich halte ich selber nicht viel von aggressiven Behandlungsmethoden, so dass ich hier auch einen Behandlungsfehler sehen würde. Der sollte auch untersucht werden, was vor Gericht auch geschieht. Also alles ganz regelkonform, wie auch bei Ärzten. Schließlich gibt es bei Ärzten auch Behandlungsfehler wie der Bericht des Medizinischen Dienstes zeigt. Für die Heilpraktiker gibt es leider kein vergleichbares Verzeichnis, das wäre aus meiner Sicht auch wünschenswert, denn dann wären die Daten vergleichbar. So kann man sich auch wunderbar an den medial sehr wirksamen Einzelfällen aufhängen und alles Mögliche behaupten. Aber zu der immer wieder zitierten Wissenschaftlichkeit würde gehören, dass man Fakten und Zahlen vergleicht. Was aber immer wieder kommt sind einfach nur Behauptungen ohne Fakten. Eine meiner Bekannten, eine Arzthelferin, hat auch letzthin berichtet, dass in ihrem Krankenhaus das falsche Bein abgenommen wurde. Auch vielleicht ein Einzelfall ebenfalls ohne Faktenhinterlegung. Hier könnte man auch fordern, die Ärzte abzuschaffen, wenn so ein grundlegender Pfusch passieren kann. Das halte ich aber für genau den gleichen Bockmist.
2. Aussagen des Leiters des Gesundheitsamtes Patrick Larscheid
Dann kommen die Aussagen des Amtsarztes. Nur mal zu Erinnerung, Amtsärzte, wie Herr Larscheid sind auch dafür zuständig zu entscheiden, ob Heilpraktikeranwärter in einer zweistufigen Prüfung zur Praxis zugelassen werden oder nicht. Diese Überprüfung sollte objektiv und sachbezogen sein. Es ist sehr fraglich, ob Herr Larscheid mit seiner Aussage die rechtlich geforderte Objektivität wirklich einhalten kann. Zudem jetzt die einzelnen Aussagen, die fast schon an Fake News heranreichen.
2.1 Erste Behauptung, Heilpraktiker dürfen fast alles.
Quatsch. Nur die zwei wichtigsten Sachen….keine verschreibungspflichtigen Medikamente verschreiben…. keine schweren Infektionskrankheiten behandeln usw. usw. Die wischtigsten Beschränkungen enthält auch der offene Brief, den die Heilpraktikerverbände an Herrn Larscheid gerichtet haben. Wenn denn Heilpraktiker, wie behauptet, so viel Schaden anrichten, dann fehlen ihnen von den Mitteln her schon mal die Möglichkeiten. Nachdem, wie behauptet, zum Beispiel Homöopathie eh nicht hilft, fällt es schwer hier großen Schaden anzurichten. Zudem gelten nach dem Urteil des BGH vom 29. Januar 1991 (VI ZR 206/90 –, BGHZ 113, 297 ff.) für den Heilpraktiker die gleichen Sorgfaltspflichten, wie für den Allgemeinarzt.
2.2 Heilpraktiker dürfen Heilversprechen machen
Da sollte sich Herr Larscheid mal die Gesetze ansehen, die bei der Heilpraktikerüberprüfung geprüft werden. Das Heilmittelwerbegesetz §3 verbietet das jedem, der mit Therapie von Patienten zu tun hat und somit natürlich auch dem Heilpraktiker. Und Herr Larscheid ist für die Überwachung dieses Gesetzes in seinem Verwantwortungsbereich zuständig. Das heißt, wenn unter ihm Heilversprechen gegeben werden, dann hat er seinen Job anscheinend nicht gemacht.
2.3. Staat kontrolliert Behandlungsfehler nicht.
Wieso kommt dann die im Beitrag genannte Heilpraktikerin vor Gericht. Anscheinend macht der Staat hier doch seinen Job, wahrscheinlich auch durch Herrn Larscheid selbst, denn das ist schließlich sein Job, genau dass zu überwachen. Obwohl der genannte Fall hier eindeutig scheint, sollte das letzte Wort hier das Gericht haben, ansonsten wäre die Rechtsstaatlichkeit gefährdet.
2.4 Heilpraktiker müssen nicht einmal eine Ausbildung absolvieren, ein kurzer Test beim Gesundheitsamt genügt.
Ich kann es langsam nicht mehr hören. Mann macht beim Gesundheitsamt einen kurzen leichten Test, den fast jeder bestehen kann…und schon ist man Heilpraktiker. Wir bereiten ja auch auf die Überprüfung zum Heilpraktiker für Psychotherapie vor und haben einige Teilnehmer, die studiert haben, meist Soziale Arbeit , Sozialpädagogik oder Lehramt . Alle diese Teilnehmer äußern immer, wie umfangreich und anspruchsvoll sie den Lernstoff finden. Und dass es sehr viel Engagement und Arbeit bedarf sich auf die Prüfung vorzubereiten. Das bedeutet, dass diese Prüfung auch für akademisch einschlägig vorgebildete Personen nur durch deutlichen Arbeitsaufwand zu bestehen ist. Schließlich ist die Durchfallquote dieser „einfachen“ Prüfung zwischen 50 und 70%. Leider gibt es hier keine offiziellen Zahlen der Gesundheitsämter. Diese Statistiken werden nicht herausgegeben, was für mehr Transparenz und für eine Versachlichung sorgen würde. Und es gibt nicht nur den Multiple Choice Test, sondern auch die mündliche Prüfung und praktische Prüfung. Diese mündliche/praktische Prüfung wird von jedem Gesundheitsamt individuell gestaltet. So kommen auch die teilweise sehr unterschiedlichen Durchfallquoten der jeweiligen Standorte zu Stande, denn dies hängt anscheinend sehr stark vom Leiter der Einrichtung ab.
Das heißt für den medizinischen Heilpraktiker geht es nicht ohne eine Ausbildung von mindestens zwei Jahren. Unter dieser Zeit ist die Prüfung nicht zu schaffen, ob sie nun vorgeschrieben ist, oder nicht. In der Prüfung wird nur schulmedizinisches Wissen geprüft. Eine naturheilkundliche Behandlungsmethode darf ein Heilpraktiker erst nach einer entsprechenden Ausbildung absolvieren. Hier ist in den letzten 30 Jahren viel passiert und es gibt kaum mehr „Schnellausbildungen“, so dass sie unter drei Jahren Gesamtausbildung eigentlich kaum wegkommen. Übrigens gilt auch für Heilpraktiker Fortbildungspflicht, das heißt nach der Grundausbildung ist nicht Schluss. Es folgt lebenslanges Lernen.
Und natürlich gibt es schwarze Schafe…gibt es überall. Aber aus meiner Sicht kann man eine Praxis nicht nachhaltig und auch langfristig führen, wenn man nicht ordentlich arbeitet.
2.5 Heilpraktiker schädigen Patienten, Abschaffung der Heilpraktiker die Lösung
Das ist einfach eine Behauptung, die nicht mit Fakten unterlegt ist. Dazu müsste, wie schon erwähnt eine Statistik her mit den Behandlungsfehlern von Heilpraktikern. Herr Larscheid äußert also nur eine subjektive, auch wissenschaftlich nicht haltbare Meinung. Wenn man seinen Aussagen folgen würde dann würde dies folgendes bedeuten:
Alle therapeutischen Berufe außer dem des Heilpraktikers können heilen. Das heißt nur die im Gesundheitssystem verankerten Berufe schaffen das. Das zeugt von einer einseitigen Sicht, dass nur das schulmedizinische Weltbild als richtig angesehen wird…hier haben wir ihn wieder, den Religionskrieg.
KEIN Heilpraktiker, also wirklich KEINER heilt in seiner Praxis…das heißt Heilpraktiker haben eine Erfolgsquote von 0%. Wahrscheinlich finden deshalb 12 Millionen Patientenkontakte pro Jahr statt, weil die Deutschen einfach auf den Misserfolg stehen.
JEDER…also wirklich JEDER Heilpraktiker schädigt seine Patienten. Ich frage mich nur, wo die Flut der Gerichtsprozesse ist, die sich daraus ergeben müsste.
ALLE… also wirklich ALLE Patienten können NICHT selbst entscheiden, welche Behandlung sie wählen und zu welchem Therapeuten sie gehen. Von einem mündigen Patienten geht Herr Larscheid anscheinend nicht aus.
3. Behandlungsmethoden auf Heilpraktikerkongress
Als ehemaliger TCM Therapeut stand ich den technischen Naturheilkundeverfahren schon immer kritisch gegenüber. Diese Methoden sind erst dazugekommen, als es die technischen Möglichkeiten dazu gab. Zudem lassen sie sich leicht verkaufen, weil leicht vervielfältigbar. Die traditionellen Heilmethoden sind oft Jahrtausende alt und da kann man wirklich von einer Erfahrungsmedizin sprechen. Und da gibt es auch wissenschaftliche Belege. Hier ein Beispiel für TCM. Natürlich könnte ich hier noch mehr aufführen (Hier eine Übersicht), aber diese Seiten sind pro TCM und den Vorwurf will ich hier nicht aufkommen lassen. Für den Beitrag hat man sich also die skurrilst wirkenden Methoden herausgegriffen, damit es schön unseriös wirkt.
4. Krebsbehandlung
Hier sehe ich die Kritik teilweise berechtigt. Krebs ist eine stark materiell ausgeprägte Krankheit. Naturheilkunde wirkt aber eher sanfter und langsamer. Die Schulmedizin mit ihrer materiellen Weltsicht ist hier auch oft sinnvoll am Platz und Kollegen, die meinen hier ihre Weltsicht in dieser lebensgefährlichen Situation durchsetzen zu wollen, handeln verantwortungslos, auch gegenüber der Heilpraktikerschaft. Den Streit über Chemotherapie und Strahlentherapie will ich hier nicht führen, weil man hier differenziert herangehen muss und dies auch nicht mein Fachgebiet ist. Wenn dann wäre eine Zusammenarbeit wünschenswert, man kann zum Beispiel die Wirkung von Chemotherapie naturheilkundlich sehr gut abmildern.
Aber aus der Forderung aus einem Teilgebiet der Medizin ein Berufsverbot für den ganzen Beruf zu machen ist dann wieder vollkommen überzogen. Es müsste darum gehen Behandlungsfehler zu erfassen und dann Rückschlüsse zu ziehen. Das wäre wieder wissenschaftliches Vorgehen. Stattdessen einfach abschaffen. Wie als würde ich alle Friseure verbieten wollen, weil einige in der Stadt Haare fälschlicherweise blau statt blond gefärbt haben. Jutta Hübner, die vorgestellte Expertin ist Mitglied des Münsteraner Kreises, der es sich zur Aufgabe gemacht hat neben dem Heilpraktiker auch die ganze Naturheilkunde im Prinzip zu verbieten. Er konnte sich aber in der Ärzteschaft nicht durchsetzen. Jutta Hübner vertritt also als Expertin nicht die Meinung der gesamten Ärzteschaft, sondern nur die Lobby der Naturheilkundegegner.
5. Die mächtige Heilpraktikerlobby
Das wäre toll, wenn wir eine hätten. Gegenüber der Pharma-, Medizintechnik- und Ärztelobby gibt es keine richtige Heilpraktikerlobby. Die Heilpraktiker sind, weil in viele verschiedene Verbände zersplittert und mit sehr viel weniger Geld ausgestattet da eher vollkommen unterbesetzt und somit mit wenig Einfluss. Sonst wären solch schlecht recherchierten Berichte wohl nicht so einfach möglich. Es ist aus meiner Wahrnehmung eher so, dass sich die Patienten für uns stark machen. Und dass, obwohl laut Herrn Larscheid Heilpraktiker in ihren Praxen 0% Erfolgsquote haben. Wie das wohl kommt? Ich würde mir von den Heilpraktikerverbänden eher mehr Aktivität und mediales Engagement wünschen, d. h. es gibt keine richtige Heilpraktikerlobby…leider.
6. Die Behandlung von HIV durch Heilpraktiker S.
Lieber Kollege, durch deine Methoden an der Grenze der Illegalität schadest du dir und uns. Ich hab es ja schon gesagt. Von drastischen auch synthetischen Mitteln halte ich nicht viel. Das gilt auch für das Chlordioxid hier. Dass der Kollege hier die Verantwortung der Einnahme des Mittels an den Patienten abgibt finde ich auch nicht in Ordnung.
Und Schöllkraut ist nur nicht generell lebertoxisch denn das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat Präparate mit 2,5 mg Gesamtalkaloidgehalt pro Tag erlaubt. (Hier noch ein zweiter Test aus einer PTA Zeitschrift) Die Behauptung des Journalisten stimmt also nicht. Auch wurde nicht gesagt, welche Experten dem Schöllkraut hier jede Wirkung abstreiten, die es aber laut Zulassung hat. Es wurde auch nicht offen gelegt, in welcher Dosierung das Schöllkraut hier verordnet wurde. Aber bei offenen Schöllkraut ist die genaue Bestimmung des Gehalts nicht wirklich möglich, deshalb rät man von Schöllkrauttee ab. Ich würde hier auf pharmazeutisch hergestellte Medikamente ausweichen. Der Kollege hat hier auf keinen Fall nach Regeln der Kunst gearbeitet.
7. Es geht um Homöopathie und nicht um Heilpraktiker
Beim letzten Teil des Beitrags ging es nicht um Heilpraktiker, sondern um Homöopathie. Hier wird also die Wirksamkeit einer Methode mit einem Berufstand vermischt. Zudem ging es in dem Antrag der Grünen darum, dass die Kasse homöopathische Arzneimittel zahlt. Aber ein Medikament, das von der Kasse bezahlt werden soll muss von einem niedergelassenen Arzt verschrieben werden. Und natürlich hat hier wieder die allmächtige Heilpraktikerlobby die Hände im Spiel, die hier den armen und machtlosen Ärzten unter die Arme greift. Man kann sich ihr einfach nicht entziehen.
Stattdessen ist es so, dass sie Alternativlobby hier zum ersten Mal erfolgreich Einfluss genommen hat, was ihr bisher nicht gelang. Der Antrag wurde aus dem Parteitag rausgenommen und eine Kommission gegründet.
8. Medwatch
Dass das Portal Medwatch parteiisch ist, es nicht um neutralen Journalismus geht und welche Organisationen dahinterstehen, ist im Beitrag von Heilpraktiker Newsblog gut nachzulesen.
Reaktionen der Heilpraktikerverbände
Offener Brief der Heilpraktikerverbände an Herrn Larscheid.
Die 10 Säulen des Heilpraktiker Berufes von den freien Heilpraktikern e.V.
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