Eine undemokratische Utopie?


Eine undemokratische Utopie?Bist du froh, dass wir Demokratie haben? Die meisten von uns denken gar nicht mehr darüber nach, weil gewisse Sachen für uns einfach selbstverständlich sind. Es ist selbstverständlich, dass wir einfach sagen können, was wir wollen, ohne dafür verfolgt zu werden. Und wenn eine Regierung wirklich Mist baut, wird sie bei der nächsten Wahl normalerweise auch abgewählt. Und es ist auch selbstverständlich, dass jeder Bürger dabei eine Stimme hat und jede Stimme gleich zählt – klar, ist ja Demokratie. Jeder Bürger der EU bekommt mit seiner Geburt ja quasi eine Wählerstimme verliehen, die er einsetzen kann, wenn er 18 ist.

Stell dir aber jetzt mal vor, man könnte diese Stimme verkaufen und auch kaufen, so dass ein Mensch zumindest theoretisch alle Stimmen eines Landes besitzen könnte. Es gäbe quasi einen Markt für Stimmen, der sich nach Angebot und Nachfrage regeln würde. Jede Stimme hätte dann einen Marktpreis. Zumindest für alle Nichtwähler wäre es interessant ihre Stimme zu verkaufen (sind ja in Deutschland immerhin 30%). Stell dir mal vor, dass eine Stimme 50000 € kosten würde. Da wäre der Reiz für einige bestimmt sehr groß. Und über die Jahre würden reiche Leute immer mehr Stimmen sammeln und bei jeder Wahl natürlich so abstimmen, dass die Leute an die Regierung kommen, die nach ihrem Sinne handeln. Und so würde die Macht sich in ganz wenigen Großstimmenbesitzern sammeln, die den Kurs eines Landes dann quasi unter sich ausmachen könnten. Und diese Leute könnten dann – ganz demokratisch – ganz abstruse Gesetze erlassen. Wie wäre es zum Beispiel alle Bürger über 65 einfach auszubürgern. Irgendein armes afrikanisches Land nimmt sie sicher gegen ein entsprechendes Entgeld als ihre Bürger auf. Dann wäre das lästige Problem mit der Rente und mit der teuren Krankenversorgung im Alter gelöst. Wäre das nicht toll, so ein Altersruhesitz in Äthiopien oder Somalia? Solche Gesetze würden Deutschland immer effektiver und wirtschaftlicher machen.

Spinnen wir den Faden aber weiter. Gehen wir mal davon aus, dass in ganz Europa dieses System  etabliert wäre. Na dann wäre es doch interessant, dass sich alle deutschen Großstimmenbesitzer zusammentun und langsam Schweizer Stimmen kaufen würden (Die Schweiz ist hier nur ein beliebiges Beispiel – ich mag die Schweizer und habe selbst Freunde in der Schweiz). Über die Zeit würden sich immer mehr Stimmen ansammeln und dann plötzlich braucht ein Schweizer Großstimmenbesitzer plötzlich dringend Geld und verkauft den Großteil seiner Stimmen. Die Deutschen schlagen zu und besitzen über Nacht 51% der Schweizer Stimmen. Bei den Schweizern wird ja oft abgestimmt, so dass man nicht bis zur nächsten Parlamentswahl warten muß. Also schnell ein Gesetz aufgesetzt, dass nur noch Deutsche in allen Führungspositionen sowohl in Wirtschaft, wie in Politik sitzen dürfen. Wenn bei einer Stellenbesetzung ein Deutscher und Schweizer zur Auswahl stehen, ist der Deutsche zu nehmen, da Deutsche in der Schweiz ja eine Minderheit sind (noch). Zudem gibt es eine Sondersteuer von 20% des Bruttoinlandsprodukts, die an Deutschland abzuführen ist.  Weiter heißt die Schweiz jetzt nicht mehr Schweiz, sondern Deutsche Schweiz. Schweizer haben es nun in ihrem Land plötzlich schwerer und eigentlich keine rechte Lust noch für ihr Land zu arbeiten, denn sie werden es nicht mehr als ihres empfinden. In Wahrheit wäre es nur eine Kolonie von Deutschland.

Was wäre, wenn es sich so in Europa entwickeln würde. Würdest du dich aufregen? Würden die Schweizer sich aufregen? Ganz bestimmt, vor allem die Schweizer mit ihrem Nationalgefühl und ihrer Direktdemokratie.
In unserer Geschichte war es genau so, dass der Adel und das Großbürgertum die Macht in Händen hielten und die Menschen nach ihrer Pfeife tanzen mußten. Und genau das war zu Ende, weil die Menschen es sich nicht mehr gefallen ließen und sie hatten Recht damit. Wir haben trotz aller Unkenrufe in Deutschland und in fast ganz Europa eine stabile und eine in der Bevölkerung verankerte Demokratie.

Was soll diese ganze Spinnerei also jetzt, denn schließlich haben wir uns hier in Europa in vielen Kämpfen und gesellschaftlichen Prozessen eine Demokratie erarbeitet, damit genau dies nicht passiert. Aber vergleiche das obige Szenario mal bitte mit einer Aktiengesellschaft, wo die „Stimmen“ ganz genauso gekauft werden können, es einen „Stimmenmarkt“ gibt, der Börse heißt und die Sache mit den Schweizern nennt sich dann feindliche Übernahme. Und es wird wohl niemand widersprechen, wenn ich behaupte, dass die Wirtschaft und damit vor allem Aktiengesellschaften eine große Macht in Deutschland, wie in der Welt insgesamt haben. Und diese große Machtposition ist vollkommen undemokratisch organisiert. Es gilt hier einfach, wer sich die meisten Aktien kaufen kann, der bestimmt – basta. Und es geht auch nicht um das Wohl von Allgemeinheit oder der Mitarbeiter, sondern nur um das Wachstum von Geld und Macht der Großaktionäre. Ich finde es immer wieder spannend, wenn bei einem Unternehmen Leute im großen Maßstab Leute entlassen werden und daraufhin der Aktienkurs steigt. Das ist so ungefähr das gleiche, was ich oben abstruse Entscheidungen genannt habe.

Das Spannende an der Sache ist aber, dass wir es so als gegeben akzeptieren. Wenn wir oben das Beispiel mit dem Wahlstimmenkauf durchlesen, dann entsteht für uns bestimmt ein Gefühl der Rebellion und Ungerechtigkeit. Aber man muß sich vor Augen halten, dass die Wirtschaft genauso arbeitet. Wieso also auch nicht hier Rebellion. Der Adel sah seine Rolle auch früher als gottgegeben an, was ihm vom Volk schließlich abgesprochen wurde. Auch die Macht und der Besitz der AG’s ist nicht gottgegeben und wir haben durchaus das Recht zu fordern, sie demokratisch zu organisieren. Der ursprüngliche Gedanke und Image des freien Marktes war ja einmal, dass jeder es durch Leistung und Ideen zu etwas bringen kann. Vom Tellerwäscher zu Millionär ist ja ein geflügeltes Wort in dem Zusammenhang. Und dieses Image wird bis heute verkauft und wenn es stimmen würde, also jeder es erreichen könnte, dann wäre dies in einem gewissen Grad noch demokratisch. Aber die Realität sieht anders aus. Die Mär von Leistung soll sich wieder lohnen wird nicht mehr geglaubt. Wenn 10% der Weltbevölkerung 80% des Weltkapitals besitzen und dieses Monopol auch verteidigt, dann ist die Macht ungleich verteilt und dies ist ganz bestimmt nicht demokratisch. Denn Geld ist Macht und derzeit das, worauf sich alles in der Welt fokussiert.

Dieser Artikel soll gar nicht zu alternativen Wirtschaftsgedanken führen, von denen es natürlich einige gibt, sondern das Bewußtsein nur darauf lenken, dass die derzeitige Organisationsform der Wirtschaft vollkommen undemokratisch ist und somit eigentlich unserer Staatsform widerspricht. Tatsachen sind nur Tatsachen, wenn wir sie als solche auch anerkennen. Allein schon die Änderung der Sichtweise ist der erste Schritt zur Veränderung. Und Veränderung ist aus meiner Sicht dringend angesagt. In diesem Sinne ….. Fortsetzung folgt.

Klaus

Kategorien:Finanzen, Gesellschaft, NachhaltigkeitSchlagwörter:, , ,

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